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Angesagte Blockbuster? Die flimmern im KommKino nicht über die Leinwand. Auf dem Programm stehen stattdessen kultige Trashperlen, experimentelle Kunstfilme und andere abseitige Streifen, die in Nürnberg nirgendwo sonst Platz haben. Das Konzept geht auf: Bereits seit 50 Jahren trotzt das ehrenamtlich und mit viel Herzblut betriebene Off-Kino im Künstlerhaus erfolgreich kurzlebigen Mainstream-Trends. Von Mitte September bis Ende Oktober wird das Jubiläum nun mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert.
Der Kult um Nürnbergs einzig wahren Actionfilm „Macho Man“ wäre keiner, gäbe es das KommKino nicht. Es waren dessen leidenschaftliche Mitglieder, die das unfreiwillig erheiternde 80er-Haudrauf-Spektakel über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht haben. Bis heute zählt die jährliche Sommervorführung des Werks in der Katharinenruine zu den Pflichtveranstaltungen für fränkische Filmfreunde. Das ist jedoch beileibe nicht die einzige aufregende Geschichte, die das KommKino seit 1974 geschrieben hat. Sie alle zu erzählen, ist an dieser Stelle unmöglich. Erinnert sei exemplarisch nur an wütende Protestaktionen mit fliegendem Katzenkot gegen die Undergroundfilme von Richard Kern und Nick Zedd, Schattenspiele zur Rocky Horror Picture Show und Angst vor Staatsanwälten in der Vorführkabine. Auch gaben sich schon viele prominente Regisseure persönlich im KommKino die Klinke in die Hand: z. B. Dominik Graf, Wolfgang Büld, Eckhart Schmidt, Jörg Buttgereit, Lloyd Kaufman, Ruggero Deodato und … Todd Phillips. Ja, richtig gelesen: Einer der heute erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten („Hangover“, „Joker“) stellte in dem Off-Kino eine wüste Punk-Doku vor, ehe er kommerziell richtig durchstartete.
Viel Wert legt das KommKino auch auf originale analoge Film-vorführungen mit ratternden Projektoren und der unverwechselbaren Ästhetik von 35mm und 16mm. Dies wird in anderen Kinos, wenn überhaupt, nur noch in Ausnahmefällen geboten. Mittlerweile hat der Verein ein riesiges Archiv mit etwa 4500 analogen Kopien, gelagert auf 45 qm, gebildet. Es wird auch bundesweit und teils sogar im Ausland von ambitionierten Kinos und Festivals für Ausleihen genutzt.
Geschichte des KommKinos
1974 begann das KommKino ganz im Geiste des selbstverwalteten Kulturzentrums Komm vor allem mit agitatorischem linken Politkino, etwa Dokus über Che Guevara oder über die Ausbeutung von Lehrlingen in deutschen Betrieben. Bald kam klassisches Autorenkino, heute würde man es wohl als Arthouse-Kino bezeichnen, hinzu. Früh beliebt waren aber auch Filme des bayerischen Anarcho-Künstlers Herbert Achternbusch und Underground-Werke aus der Warhol-Factory um den legendären US-Künstler Andy Warhol.
In den 80ern und 90ern gestaltete sich das Programm zunehmend wilder und provokanter. Die New Yorker Punk-Filmerinnen und -Filmer, das "Cinema of Transgression" spielte bald eine große Rolle. Super-8-Outlaw Nick Zedd kam zu Besuch, einer Truppe katzendreckwerfender Feministinnen brachte den Abend auf die lokalen Zeitungstitelseiten. Auch Richard Kern, dessen Fotobücher inzwischen in zahllosen Museumsbuchhandlungen ausliegen, kam, ebenso Charles Gatewood. Zusätzlich wurde die New Wave des Hongkong-Kinos um John Woo und Tsui Hark entdeckt, aber auch alles, was in der allgemeinen Filmgeschichtsschreibung gerne unterschlagen wird, doch oft durchaus beachtliche eigene Qualitäten hat: wilde B-Filme, insbesondere aus den Genres Horror, Action und Erotik, Musikstreifen jenseits des Mainstreams, eigenwillige Dokus, Undergroundfilme verschiedenster Spielarten und sogenannte Trashstreifen. Nicht vergessen werden sollte, dass sich das KommKino schon früh um den queere Film bemühte: Die noch heute gerne gezeigte Satire „Die Bettwurst“ von Rosa von Praunheim lief bereits in den 70ern und es gab eine langlebige schwul-lesbische Reihe namens „Rollenwechsel“.
Heute ist das Programm von einer beeindruckenden Vielfalt geprägt. Viele der erwähnten Schwerpunkte spielen noch immer eine Rolle. Gezeigt wird aber im Grunde alles, was sehenswert ist, aber weder in kommerziellen Kinos noch in klassischen Arthouse-Spielstätten einen Platz findet. Das Kino bemüht sich dabei auch immer wieder um lokale Filmemacherinnen und Filmemacher, etwa mit der Reihe „Filmament“.
Außerdem sorgt das KommKino seit vielen Jahren mit ambitionierten Festivals wie den immer wieder in zahlreichen überregionalen Medien besprochenen Hofbauer-Kongress bundesweit, bisweilen sogar über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen.
Ausstellung mit Exponaten aus 50 Jahren
Schlaglichter auf fünf Jahrzehnte Nürnberger Kino-Kult wirft eine Ausstellung im Künstlerhaus, kuratiert von KommKino-Urgestein Gerhard „Gerry“ Schuster und Josefina Schandau. Vom 14. bis 28. September haben die Besucher Gelegenheit, originale Programmflyer, Festivalplakate in Öl, schlagzeilenträchtige Filmbeiträge und das gruselige Maskottchen des KommKinos zu bewundern. Die Schau findet im „Glaskasten“ statt. Auch werden eine Vernissage und eine Finissage mit Rahmenprogramm geboten (14. und 28.9. jeweils um 19 Uhr).
Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag bis Sonntag von 11 Uhr bis18 Uhr geöffnet, Mittwoch bis 20 Uhr
Sonderöffnungszeiten:
21.9. (Jubiläumsparty), 24.9. (Sonderveranstaltung mit Stephan Grosse-Grollmann) und 28.9. (Finissage) jeweils bis 21:15 Uhr
DJs und Freibier
Am 21. September steht die große Jubiläumssause im Künstlerhaus auf der Agenda. Drei verschiedene DJ-Teams aus Nürnberg, München und Bamberg befeuern die Lautsprecher ab 19 Uhr mit einem wilden Genremix. Die Sound-Palette reicht von 80er-Wave und Italo-Disco über Soul und Punk bis hin zu Garage, Grime und Ska. Tanzmuffel können mit einigen Fässchen Freibier erste Hemmungen abbauen. Der Eintritt zur Party ist selbstverständlich frei.
Jubiläums-Filmprogramm mit Gästen aus ganz Deutschland
Kein Geburtstag ohne Gäste: Für das Jubiläums-Filmprogramm im Saal des KommKinos haben die Mitglieder des Vereins zahlreiche Freunde, Gönner und Ehemalige eingeladen. So wird etwa Christiane Schleindl, ehemalige Chefin des Filmhauses im Künstlerhaus und einst treibende Kraft beim KommKino, zwei ihrer Lieblingsfilme präsentieren, die zugleich verdeutlichen, wie wandlungsfähig und vielseitig die 50 Jahre alte Einrichtung von jeher ist. Vom Filmkollektiv Frankfurt am Main hat sich Filmkenner und -macher Gary Vanisian angekündigt. Hinzu kommen Gäste aus befreundeten Off-Kinos wie der Kinemathek Hamburg oder dem Filmclub 813 aus Köln. Sie alle erhalten eine „Carte blanche“, also unbeschränkte Vollmacht, bis 24. Oktober Skurriles und Erstaunliches im KommKino zu zeigen, begleitet von aufschlussreichen Einführungen. Auch das fränkische Kino kommt mit zwei Filmament-Abenden mit persönlich anwesenden Nürnberger Filmemachern (26. September und 17. Oktober) nicht zu kurz.
Live-Konzert mi Fabio Frizzi zu WOODOO - DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIE
Am 10.10. wartet als besonders Highlight ein Konzert mit Fabio Frizzi und seiner Frizzi 2 Fulci Band zu WOODOO - DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES. Das Konzert findet im exklusiven Rahmen von lediglich 200 Plätzen im Zentralscafe statt. Lasst euch diese Gelegenheit nicht entgehen. Tickets gibt's hier.
„Italo Cinema Festival“ huldigt dem italienischen Genrekino
Den Abschluss der sechswöchigen Feierlichkeiten zu Ehren von 50 Jahren KommKino bildet das „Italo Cinema Festival“ von 24. bis 27. Oktober, das seinen Fokus auf das italienische Genrekino vergangener Tage legt.